26.2.20

(Die Bilder sind ein Jahr alt, alles längst kompostiert, längst verdaut.)


Sie sprengen ein Studentenwohnheim in der Stadt, ich hör es im Vorort. Ich hab schon wieder vergessen gehabt, dass sie das am Sonntag sprengen wollten, bis ich es hör. Es ist ein schöner Ton. Ich versteh nicht, warum mir der so gefällt. Sprengung in der Ferne. Gefällt mir. Ich fühl mich berührt. Ist jetzt das zweite mal dass ich das hör. Letztes Jahr nach Ostern haben sie eine Fliegerbombe gesprengt. Die ganze Nacht Sirenen und Blaulicht. Dann der Ton. Ich war so froh. So um 3 in der Nacht. Ich bin gegen Bomben. Und ich war auch für das Studentenwohnheim. Ich hab dem größten SPRENGGEGNER jahrelang geholfen Plakate und Flyer gegen das Sprengen zu machen. Ich war mal ganz oben auf dem Studentenwohnheim auf einem Balkon, ich hab mit sehr schlechter Laune nach unten geschaut. Es hat nichts so recht geklappt. Der Winter ist gekommen und ich hab mir von meinen Payback-Punkten eine Sex and the City DVD-Box gekauft, am Samstag, kurz vor Ladenschluss. Eigentlich wollten wir auf dem Flyer gegen das Sprengen was von suicidal bungee jumping schreiben, das hättest du von dem Balkon da nämlich gut machen können. Wir haben dann seed bombs Schmeißen genommen, wir wollten nicht so makaber sein. Wir waren deprimiert genug.
Bevor sie die Bombe kontrolliert gesprengt haben - kontrolliert sprengen, das rührt mich so, KONTROLLIERT SPRENGEN ist alles was ich will - ging der Fliegeralarm und auf der Straße haben alle zusammen auf alle ihre Handys geschaut. Aber auf keinem Handy stand warum Alarm. Also haben alle aufgehört zu schauen und was anderes gemacht. Ich hab eine Ausstellung von Studenten angeschaut und danach bei einem Würfelspiel geweint. Davor hab ich jemanden an der Ampel getroffen, der hat mich später auf Tinder gematched und mir noch später erzählt, he doesn´t do fat und he doesn´t do radical feminists. Da hab ich ganz schnell tschüss gesagt und bin ins Kino gegangen. Ich war so unkontrolliert gesprengt, der Ton war so ein Trost in der Nacht. Ich hab eigentlich fast überall geweint, in fast jedes Essen. Ich hab so viel geweint, dass meine Schwester auch angefangen hat. Ich hab bei einer Ärztin geweint. Sie hat mir eine Diät verschrieben, davon würd ich gesund werden. Sehr dünn bin ich davon geworden. Es ist mir sehr peinlich, wie froh mich das dünn sein gemacht hat. Dann wollt ich aber Essen gehen, Kässpätzle und Eiskaffee. Dann wollt ich aber Süßigkeiten, weiße Ferrero Küsschen und gestreifte saure Gummibären. Und seitdem hass ich mich. Seitdem bin ich schuld daran, dass ich nicht gesund bin. Halt, das war ich vorher auch schon, aber jetzt hab ich ein Attest dafür. Weigert sich gesund zu sein, weigert sich ganz dünn zu sein, also noch dünner als dünn - geschieht ihr recht. Jetzt ist Krapfenzeit und der Bauch steht mir weg. Er tut auch weh. Ich halt ihn und lach. Mein Krapfen hat mich getreten, magst hinlangen?

Wir erfinden ein Getränk - Sekt und Mangosaft, ich schütt noch kalten Ingwertee rein. Ihr könnt das gern nachmachen, aber wir haben es erfunden, an einem traurigen Jahrestag und zwei Tage später noch verfeinert. Danach haben wir uns die Schuhe wieder angezogen und sind Tanzen gegangen. Ich nicht so lang, der Regenradar hat ziemlich genaue Vorstellungen davon gehabt wann ich im Trocknen wieder heimfahren soll. Mir ist dann auf der Brücke wieder die Kette rausgesprungen, da war ich tatsächlich froh, dass es nicht auch noch nass war. Aber was jetzt wirklich wichtig ist hier: wir erfinden Getränke, wir feiern traurige Jahrestage mit Gemüsecurry und grünen Gummischnüren, wir gehen Tanzen, wir gehen sogar oft Tanzen. Wir essen so oft Kässpätzle, dass es mir jetzt so oder so reicht, der einen steht der Bauch nicht wegen Krapfen weg. Uns tut das Herz weh, wir fahren mit dem Rad durch die ganze Stadt, wir kaufen Radler im Getränkemarkt, wir trinken Radler auf der Straße. Ich hab so viel geweint, sogar gleich zwei mal in Tapas rein, Patatas Bravas, Auberginenröllchen. Aber ich bin so froh, ich kann gar nicht sagen wie froh ich bin.

Bei Friseur läuft Take Me To Church, ich glaub SOFIA KARLBERG singt, genau weiß ich es nicht, es wird da ja viel geföhnt. Neben mir kriegen alle sehr teuer die Blondierung aufgefrischt und ich muss gestehen, dass ich mir selber die Haare leider nicht über die Rundbürste föhnen kann. Azubi Teresa sagt, sie aa ned und ich gestehe weiter, dass ich aber jetzt so eine beheizbare Bürste hab, das hätt ich im Griff. Sie meint, bei mir tät auch ein Diffuser reichen. Die Blondierten machen mich irgendwie fertig, wenn die Alufolie runterkommt, schauen sie wahrscheinlich sogar aus wie Sofia Karlberg. Immerhin hab ich die schönsten Schuh, Kleiderkreisel. Danach ess ich Nudeln, Gorgonzolasoße, Himbeer-Schokoladenkuchen. "That looks tasty, That looks plenty, This is hungry work".



 Werbung, unbezahlt, da Namensnennung