FAMILY SCORES
Elsa Artmann und Samuel Duvoisin
Buch + Performance
Mittwoch, 12.7.2017, 14.45
Studiotheater Zentrum für Zeitgenössischen Tanz Köln
Mittwoch, 12.7.2017, 14.45
Studiotheater Zentrum für Zeitgenössischen Tanz Köln
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich begann, mit meiner Schwester Anna Englisch zu sprechen. Es mag in Leipzig leichter gewesen sein, als ich mich bemühte, meinen bayerischen Dialekt abzulegen und es mich anstrengte, beim Telefonieren darin zurückzufallen. Unser Englisch ist angelehnt an die Serien und Late-Night Shows, die wir schauen und ziemlich unvollkommen. Wir sprechen mit deutlichem deutschen Akzent und fügen deutsche Wörter ein, wann immer uns die englischen fehlen.
Über Intimes auf Englisch zu sprechen, macht es für mich weniger wirklich, mehr zu einer Inszenierung. Ich höre mir dann zu wie einer Figur aus einer Sitcom. Alles wird zu einer Anekdote, fast alles wird mit einer Redewendung beantwortbar, aber alles wird auch möglicherweise bedeutend, möglicherweise ein Wendepunkt. Auch die Konversationen mit mir selbst, die ich fahrradfahrend auf dem Weg von der Uni nach Hause führe, sind oft auf Englisch.
Oft träume ich hier davon, dass jemand mich interviewt. Weil ich in irgendetwas sehr erfolgreich geworden bin, sitze ich mit jemandem auf einer Couch und werde um Auskunft gefragt, meistens über mich selbst. Eine dieser Fragen, die mir ein etwas ignoranter, aber höflicher Host in meinem Kopf stellt, lautet: Würden Sie sagen, dass der Erfolg Sie verändert hat? Oder sind Sie für die Freunde von früher immer noch dieselbe? Und ich würde antworten: If you ask me whether success has changed me or whether I am still the same – my answer would be that of course success changed me since it was the very purpose of my being successful to change me – and no, I am not the same to the friends of old days – the very purpose of my being successful was leaving my old friends behind. Success is about being able to choose your environment, and what I could decide was whether I wanted to belong or to be successful.
Dancing enables me to create a body which has less and less in common with the bodies I visibly share genes with. We lose resemblance, and I win resemblance to bodies of my choice. I aim to wrap my pelvis like my teacher Kojiro Imada does, and in my daily repetition I am going to succeed. All the training makes it possible for me to physically exist outside my family - to be more familiar with others than with my family. My body is shaped by practices so substantially different that even ageing, even my choice of a partner, even my social class cannot smooth over the difference between me and them.
Still, something keeps me from identifying fully with my dancerly work. My practice always has been a fragmented one. I am always in one place negotiating my absence from other places. Looking into the mirror in my ballet tights I ask – Am I a dancer, though? Can I, as the National Dance Company Wales puts it in their call for new dancers, join the family?
Or is there too much in this aiming and trying body that wants to belong to an environment less fruitful, less fluent, less ambitious, less interested in the world?
According to Hannah Ahrendt, privacy is necessary for the publicly irrelevant to survive. So if you want to keep a person in her home, make her case so specific, so individual, so unrelatable there will be no other place for her to survive – but inside.
I refuse to be associated with any domestic work. I refused to learn about gardening or cooking as a child, and I still proof no talent in making a room cosy or welcoming. Whenever it is my turn to cook and I find myself waiting for my boyfriend with the dinner ready, I suddenly feel the depression of a housewife of 30 years on my shoulders. I choose to lie to strangers about my everyday life to not make them assume I could enjoy cooking a soup or arranging flowers or going shopping. I take it as part of my fight for my artistic work to be taken seriously. I keep my distance to the beautiful and carefully arranged work of female bloggers I know, their writings and photographs about food, fashion, gardening, children, health. And still, at the age of 27, I visit the house of my parents to find the inside of these walls is still the proudest presenter of my work, and thus, simply by not excelling in art business, I have become a woman in her place. My art is being domestic.
But also, my art is being domestic in my place, and I am represented my many paintings in the spaces I myself very rarely visit. In the last months I changed the pictures I sent or brought home to drawings of family-themed scores.
Ich nehme einen Körper ein und verlasse die Zeichnung!
Ich bin ein ausgedehnter Pudding mit gespannter Oberfläche geworden und vibriere durch die Bewegungen der anderen, ich kann gedrückt und geschoben werden. Ich verlasse meinen Körper nicht mehr.
Umso intensiver meine Körperverfassung, desto mehr muss ich mich selber auffordern, in Relation zu bleiben.
Wie verfahre ich, wenn ich eine eingenommene Körperlichkeit wandeln möchte, ohne sie zu verlassen?
Wenn ich mich mit dem Rücken zu den anderen befinde, wie erfahre ich dann über meine räumliche Ausbreitung etwas über meine Reaktionen? Ich teile mir ein Organ mit jemand anderem.Was ist die Funktion des Organs, das du wirst?
Ein Organ zu sein, hilft, um die Pose, die eine gezeichnete, abgeschlossene Figur vorgibt, in Bewegung zu bringen. Ein Organ wabbelt, bläst sich auf, schmiert. Ist tendenziell weich und leicht, kann aber auch zittern? Andere Körper können durch ihre Bewegung den eigenen Körper eindrücken, verschieben. Wenn du fällst, fall ich auch, weil sich dein Körper ungesehen in meinen Raum schiebt.
Der Raum war für mich so groß, dass ich ihn nicht erfassen konnte. Da ich in einem Körper war, der größer ist als ich, war für mich der Raum größer als der, in dem ich mich befinde. Ich habe mich kaum von meinem Platz bewegt und den Raum mittels Bewegung wenig benutzt. Ich war sehr damit beschäftigt, mich zu meinem Körper und dem Körper, der größer ist als ich, in Beziehung zu setzen, die Form zu füllen. Zum anderen spielt die Relation zwischen mir und den anderen eine Rolle: Wie kann ich mich an sie schmiegen, wenn ich gar nicht weiß, wie groß ihr Körper ist?
Feuerholz
Drei Tänzer_innen stellen sich einander zugewandt auf und strecken die Arme mit erhobenem Zeigefinger seitlich diagonal in die Luft. Sie sind Äste. Die Arme sind Zweige. Etwa gleichzeitig fallen sie aufeinander. Während sie in ihrer Pyramidenanordnung langsam zu Boden rutschen, erzählt eine von ihnen eine Familienanekdote.
Meine Mama fragt immer, wenn ich sie anrufe: Hast du schon gegessen? Obwohl hier zehn Uhr abend ist, fragt sie immer das gleiche. Und ich sage ja, und dann: Ok, dann, was machst du jetzt noch? Und ich sage, ich schlafe jetzt gleich. Dann gute Nacht. Seit vier Jahren sagt sie immer das gleiche Ding, wenn ich sie anrufe.
Mit 42 hat sich meine Mutter die Augenlider liften lassen und auch die Zornesfalte mit Botox auffüllen lassen. Aber sie wollte in keinem Fall, dass ihre Familie etwas davon erfährt, vor allem nicht der Mann ihrer Schwester, deshalb hat sie sich zur gleichen Zeit auch eine neue Brille besorgt, sodass sie immer, wenn sie danach gefragt wurde, sagen konnte: Nee nee, das ist nur die neue Brille.
Meine Schwester hat mich gestern gefragt: Wieviele Bücher am Tag soll ich denn bitte lesen und wozu? Ich sitze auf der Terrasse, und am liebsten würd ich meinen Kopf gegen den Tisch hauen. So sinnlos. In dieser Wohngegend.
Ich habe meinen Großeltern eine Einladung per Email geschickt, zu meiner Bachelorpräsentation. Mein Opa Norbert antwortete: Oma kommt, ich vielleicht. Du weißt ja, manchmal habe ich keine Lust. Liebe Grüße, Opa und Oma.
C. sagt zu ihrem Großvater (er droht ihr, zu sterben): In einem Jahr komme ich zurück nach Hause.
Meine schick angezogene, dünn gewordene Mutter begrüßt mich vorm Auto mit einer zurückhaltenden Umarmung und drückt mir dann ein Desinfektionstuch in die Hand. Wir drei bleiben vor dem Auto stehen und desinfizieren uns die Hände.
Mit 50 hatte mein Vater eine Neuerfindungsphase und er hat sich seinen Großvater auf den Oberarm tätowieren lassen, so richtig als Portrait. Er fand, dass sein Großvater der beste Mann in der Familie ist. Und irgendwann hat er mich gefragt, ob er sich mich auch tätowieren lassen kann. Zum Glück haben wir jetzt lange nicht mehr darüber gesprochen.
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